TV-Kritik von Gernot Plock
![]() | ||
Gernot Plock - missmutiger Einzelgänger mit Vorliebe fürs Trash-TV |
Gestern Abend konkurrierten gleich zwei TV-Highlights um die Gunst der Zuschauer: "Ich weiß, was du letzten Freitag getan hast" (RTL II, 20.15 Uhr), eine innovative Spielshow, moderiert von Jörg "Zonk" Draeger, und eine neue Folge der beliebten Einrichtungsdoku "Einsatz in vier Wänden - spezial" (RTL, 20.15 Uhr) mit Tine Wittler. Der ernsthaften RTL Dokumentation möchte ich diese Woche allerdings den Vorzug geben.
Schon der sachlich formulierte Titel der Folge "Gruselgruft der Messi-Mutti" zeigt, dass der Dokumentation ein hoher journalistischer Anpruch zugrunde liegt. In leisen Bildern wird zunächst die Wohn- und Lebenssituation der Hilfsbedürftigen offenbart.
So bewohnt Rentnerin Renate (59) mit Sohn Meik (31), dessen Frau Katharina (25) und den zwei bezaubernden Enkelkindern Leon und Timo ein Haus. Während sich Meik und Katharina im Obergeschoss eine "Wohlfühloase" eingerichtet haben, erstickt Renate im Erdgeschoss im Müll. Meik und Renate machen einen Bogen um die "stämmige" Rentnerin, nur die Kinder kommen gelegentlich zu Besuch.
Ganz behutsam wurden die menschenunwürdigen Lebensumstände von Renate, offensichtlich schwer traumatisiert vom Tod ihres Mannes und mit dem Alltag überfordert, dargestellt. Auf ein den Voyeurismus der Zuschauer bedienendes Ekel-Fernsehen verzichtet RTL. Die gelegentlichen Einspieler von meterhohem Unrat, Ungeziefer und einem völlig verdreckten Bad in Zeitlupe und Schwarzweiß, unterlegt mit Horrorfilm-Musik, Großaufnahmen von der Ekel und Abscheu widerspiegelnden Miene Tine Wittlers, Bilder von Rentnerin Renate, die sich in einer Pfanne mit altem Fett, umgeben von faulenden Essensresten, eine Frikadelle brät, dienen nur einem Ziel: die Empathie des Zuschauers zu erwecken.
Auch sprachlich übt sich die Dokumentation in bescheidener Zurückhaltung. Der Sprecher verzichtet weitestgehend auf die in diesem Genre bei RTL üblichen Alliterationen. Adjektive und Metaphern werden nur spärlich eingesetzt. Wendungen wie "Jetzt geht es der Gruselgruft an den gammeligen Kragen", "In Renates Restmüll warten viele unangenehme Schätze darauf, geborgen zu werden." und das "feuchte Verlies" finden nur dann Verwendung, wenn es gilt, dem Zuschauer zu helfen, die Ungeheuerlichkeit des Gesehenen auch auditiv zu verarbeiten. Sogar das Wort "Gruselgruft" wird nur in jedem 2. Satz verwendet.
Denn - und darüber ist sich wohl jeder im Klaren - die Intention der Sendung ist eine altruistische. Die Frage "Kann Tine Wittler hier noch helfen?", belegt ganz deutlich, dass es RTL nicht um reißerische Effekte geht, sondern darum, einem in Not geratenen Menschen wieder Mut und Hoffnung zu geben.
Dazu passt auch, dass es Moderatorin Wittler nicht beim Renovieren belässt. Mit psychologischem Fingerspitzengefühl eruiert sie den eigentlichen Grund für Renates desolate Lage, den fehlenden Zusammenhalt in der Familie. Streng nimmt sie Meik und Katharina ins Gebet, die Rentnerin Renate jahrelang jede Unterstützung versagt haben. Und - siehe da - nach Wittlers deutlichen Worten ist auch das Familienleben ganz plötzlich ein völlig anderes. Renate muss nicht in ein Hotel umziehen, frischgeduscht darf sie bei Meik und Katharina wohnen, mit ihnen am Tisch essen und auf die Enkelkinder aufpassen. In trauter Eintracht bereitet sie mit Schwiegertochter Katharina nun "kräftigen Glühwein" für die Handwerker zu, der "reuige" Sohn und die "einsichtige" Schwiegertochter haben dazugelernt, "nichts erinnert mehr an die jahrelangen Spannungen". Am Ende wird Renate in ihre frisch renovierte Wohnung geführt und der Zuschauer weiß: Alles wird gut.
Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass auch die öffentlich-rechtlichen Sender den Mut dazu finden, mit ihren Sendungen die Welt zu verändern.
Ach ja, und die Tine ist jetzt mit einem von den Handwerkern zusammen, die haben nämlich beim Streichen rumgeknutscht.
Ach ja, und die Tine ist jetzt mit einem von den Handwerkern zusammen, die haben nämlich beim Streichen rumgeknutscht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen